29/04/2015

Auf der Suche nach dem goldenen Gleichgewicht: Von Freiheit und Sicherheit der Information in einer zunehmend vernetzten Welt

Von Andrew Denison

Die Beschleunigung der Vernetzung
In einer Moores-Law-Welt, wo die Datenmengen, Datenströme und Datenverarbeitung sich im Zweijahresrhythmus verdoppeln, ist die Gefahr der totalen Kontrolle geringer als die Gefahr der totalen Anarchie.

“The Internet is the world´s largest ungoverned space.” Eric Schmidt (CEO Google) and Jared Cohen in The New Digital Age, 2013.

Bald haben nicht die heutigen zwei, sondern alle sieben Milliarden Erdbewohner ein Smartphone. „Global mobile data traffic grew 70 percent in 2012. Mobile network connection speeds more than doubled in 2012.“ (cisco vni) Die Zahl der möglichen Verbindungen steigt noch schneller.

Die Verlockung der Vernetzung
Alle wichtigen Wachstumsbereiche bauen auf die Erweiterung der Vernetzung und Informationsverarbeitung auf. (McKinsey Global Institut Technologieprognose 2013: (Mobile Internet. Automation of knowledge work. The Internet of Things. Cloud technology. Advanced robotics. Autonomous and near-autonomous vehicles. Next-generation genomics. Energy storage. 3D printing. Advanced oil and gas exploration and recovery. Renewable energy.)

Explosion der Datenmengen bringt neue Möglichkeiten, Korrelationen zu erkennen, die wertvolle Einsichten bieten—und die immer wieder neue Fragen über die Privatsphäre aufwerfen.

Trotz NSA kommt die Cloud. The Economist im September 2013: „The cost advantages of cloud computing mean that banking services are likely to move inexorably into the ether.“

Die Bedrohung der neuen Einfluss/Wertschöpfungsmöglichkeiten
In einer Moores-Law-Ära ist es schwierig zu wissen, auf welche Gefahren man sich vorbereiten soll. Zu den gefürchteten Gefahren gehören folgende:

  • Überwachungsstaaten. Staaten können zunehmend alle Daten speichern (lassen) und diese für politische oder wirtschaftliche Ziele missbrauchen.
  • Zensur. China sieht hier einen künftigen komparativen Vorteil.
  • Datendiebstahl. Wie viel kostet die Wirtschaftsspionage? Sind Firmen überhaupt bereit, Verluste bekannt zu machen?
  • Zusammenbruch der Netze. Die Seuchen der Zukunft könnten möglicherweise mehr Schaden in der digitalen als in der gewohnten biologischen Umwelt anrichten.
  • Ausgehöhlte Staaten. Die exponentielle Steigerung der globalen Vernetzung höhlt die traditionelle Souveränität aus. Die unkontrollierten Geldströme verblassen im Vergleich mit unkontrollierten Datenströmen.
  • Nuklearkatastrophe. Die Kernwaffen und Frühwarnsysteme der neun Nuklearmächte sind zunehmend vom Netz abhängig. Eine Kernwaffendetonation 600 Kilometer über der USA würde alle ungeschützten Computer und Stromnetze lahmlegen (Elektromagnetischer Puls; Compton Effekt).

Die Antworten der Transparenz und gegenseitigen Kontrolle
Gibt es noch Geheimnisse? Die Gedanken sind frei. Sobald sie digitalisiert werden, wird es komplizierter. Die Freiheit und Sicherheit der Geheimnisse bleibt wertvoll, aber auch im elektronischen Ether bleibt die Balance eine politische Kategorie. Wann bedroht meine Informationsfreiheit Deine Informationsfreiheit, meine Informationssicherheit Deine? Das muss die Politik entscheiden.

Die digitalen Spuren der Bösewichte müssen verfolgbar sein—ohne daraus politischen oder wirtschaftlichen Missbrauch zu ermöglichen.

Alle Daten zu speichern ist effektiver als nur die der üblichen Verdächtigen. Diese Daten müssen geheim bleiben, deren politische Kontrolle aber transparent und gegenseitig. Wichtig ist nicht die Datenschatztruhe, sondern der kontrollierte Umgang damit.

Die alte Frage wird neu definiert: Wie ist Staatsmacht im Cyberzeitalter wirksam zu begrenzen und kontrollieren, ohne ihren Zerfall zu verursachen?

  • Firmen—Militärische Schutzmaßnahmen reichen nicht aus, um Datensicherheit und Freiheit zu gewährleisten. Firmen sind jetzt selbst an der Front. Unternehmen müssen mehr in Tresore und gepanzerten Transport investieren, und die nötigen Gesetze zum Netzwerkschutz (und Netzwerkfreiheit) unterstützen, auch wenn sie vorerst teuer erscheinen.
  • Staaten—Die Staaten helfen dabei, die Kosten der Sicherheit gerecht zu verteilen, Trittbrettfahren zu vermeiden und eine ausreichende Rückversicherung zu bieten. Nur bei gegenseitiger Kontrolle und Aufsicht durch mithaltende Gesetzgebung und eine starke Zivilgesellschaft ist die Sicherheit und Freiheit der Information mithilfe des Staates im Gleichgewicht zu halten.
  • Internationale Organisationen—Den nationalen mit dem internationalen Datenschutz zu verbinden bleibt äußerst schwierig, selbst in der EU. Solange es keine Weltregierung gibt, ist die NATO eine der wichtigsten Möglichkeiten – wenigstens im atlantischen Raum – Schutz vor Datendiebstahl und Datendesaster zu organisieren, denn Amerika und Europa machen (noch) die Hälfte der weltweiten Wertschöpfung aus.

Eine politische und technische Herausforderung
Datenpermanenz und Datenverfall scheinen gleichzeitig unvermeidbar. Weder das Sichern, noch das Löschen der Daten ist so einfach. Hier entstehen lukrative neue Branchen. Intels Kauf von Virenschützer McAfee zeugt davon.

Die Gewährleistung der Freiheit und Sicherheit der Information in einer offenen Weltwirtschaft bleibt sowohl eine politische wie eine technische Herausforderung. Sie bleibt vorerst auch eine primär atlantische Aufgabe.

Optimismus! Offene, liberale, plurale, kosmopolitische Staaten werden viel einfacher als autoritäre Staaten mit der voranschreitenden Anarchie der Vernetzung fertig werden.