Über die endlose goldene Prärie Wyomings, unter dunkelblauem Himmel, durchstochen von übergroßen weißen Wolkensäulen der Nachmittagsgewitter, zieht sich eine einsame Schotterpiste, soweit das Auge reicht. Hier ist der Krieg in Ukraine sehr weit weg—bis der Blick auf den Stacheldrahtzauns samt Schild „use of deadly force authorized“ einen daran erinnert, dass hier, tief begraben, eine Minuteman III Rakete interkontinentaler Reichweite samt eines 330 KT nuklearen Sprengkopfes lagert.
Lang vergessen in den Gedanken der meisten, stehen diese Raketen für die Amerikaner—aber auch für die Europäer—als Schutzpfand letzter Instanz. Sie stehen für die Unbesiegbarkeit Amerikas, auch für die Unbesiegbarkeit seiner Verbündeten.
Konkurrenz der Risikobereitschaft
Im Nuklearzeitalter ist Amerika, sind seine Verbündeten durchaus zerstörbar, aber sie sind nicht besiegbar. Ein kleiner, feiner Unterschied, der den Gegner davon abhalten soll, den militärischen Sieg zu versuchen, wohlwissend, was es ihn kosten könnte. Kosten würde die drohende nukleare Verwüstung nicht nur all das was seine Gesellschaft und sein Staat zum Funktionieren braucht, sondern auch die militärische Fähigkeit, einen Sieg überhaupt erst zu erringen. Diese Nuklearwaffen, wie alle anderen circa 12,000 unserer Welt, stehen allerdings auch für die Unbesiegbarkeit der anderen acht Nuklearmächte—und dadurch für die andauernde Gefahr der globalen Zerstörung.
Wofür Kernwaffen sonst zur Verfügung stehen, bleibt ungewiss und kontrovers. Was, zum Beispiel, können Nuklearwaffen neben einer existenziellen Bedrohung noch abschrecken? Einen Angriff auf ein Partnerland? Was können Kernwaffen erzwingen? Verzicht auf Intervention? Wir wissen nur, dass Nuklearwaffen in der Rhetorik zwischen Staaten eine besonders brisante Rolle spielen.
Kommen Nuklearwaffen auf den Machtpoker-Tisch, sorgen sie schnell für Schlagzeilen. Heute begleiten Bemerkungen zur Nützlichkeit, wenn nicht Nutzbarkeit russischer Nuklearwaffen die Sprache der Kraftmeierei und des Chauvinismus von Russlands Putin-treuer Medienlandschaft. Solche schrillen Verstöße gegen althergebrachte Spielregeln der internationalen Diplomatie gehen in mancher Hinsicht sogar weiter als im tiefsten kalten Krieg.
In einer Welt voller neuer Unordnung, Anarchie und Krieg ist eine alte Erkenntnis des schon fast 80 Jahre anhaltenden nuklearen Zeitalters immer noch bestimmen: Bei Kernwaffenstaaten ist militärische Kapazität im konventionellen Bereich weniger wichtig als die Bereitschaft, Risiken im nuklearen Bereich einzugehen. Das ist der Unterschied zwischen einer russischen Invasion und islamistischen Terroristen. Russland kann viel gefährlicher eskalieren als die Islamisten. Doch haben die Gefahren auch viel gemeinsam. Sie sind Europa viel näher als Amerika, und doch sind Europa und Amerika in beiden Fällen geeint, auch in der Erkenntnis, dass man im Westen selbst nur dann nicht erpressbar ist, wenn alle anderen im Westen auch nicht erpressbar sind.
The Daddy of ´em All – Cheyenne
Fort F.E. Warren Air Force Base, in Cheyenne, Wyoming, hat mit dem 90th Missile Wing das Kommando über 150 Minuteman III Raketen, verteilt über die Bundesstaaten Wyoming, Nebraska und Colorado. Fort Warren ist auch der Sitz der 20th Air Force, Oberbefehlshaber aller 450 landgestützten Raketen der amerikanischen nuklearen Streitkräfte. Mit den beiden Aufträgen beschäftigt, betreibt ein Luftwaffenpersonal von 2000 im fast 150 Jahre alten Kavallerie-Fort ihre Aufgaben ohne Landebahn und ohne große Aufmerksamkeit. Das 1867 erbaute Fort diente dem Schutz der Bautrupps der ersten transkontinentalen Eisenbahn vor angreifenden Indianern.
Cheyenne ist eher bekannt als größte Rodeo-Stadt Amerikas, Frontier Days ist „the daddy of ´em all.“Als Hauptstadt Wyomings ist Cheyenne auch eine große Kreuzung kontinentaler Autobahnen und Schienennetze. Millionen Menschen fahren an den stilvollen Gebäuden von Fort Warren vorbei. Die meisten denken sicher, die kleinen weißen Raketen am Tor des Forts gehörten zu einem Spielplatz. Doch Fort Warren hütet die Zerstörungskraft von 4.500.000 Tonnen TNT, also circa 3500 Hiroshima Bomben. Für die meisten Deutschen ist Wyoming der „Cowboy State“ am Fuß der Blauen Berge—mit zu vielen Gewehren und zu vielen Republikanern. Wenige wissen, welche Rolle die einsamen Hochebenen Wyomings in der Verteidigung der heutigen Weltordnung spielen.
College Town – Laramie
Wyomings 584,000 Bürger erleben jetzt gerade das Ende der Jagdsaison, den Anfang vom harten Winter, Zeit für Weihnachtsvorbereitungen, —und an Wyomings einziger Universität, Zeit für Abschlussexamen. 80 Kilometer westlich von Cheyenne liegt die College Town, Laramie, auch ursprünglich ein Eisenbahnstadt, mit 30.000 Bürgern—und 10.000 Studenten, die jetzt Richtung Semesterende arbeiten. Die University of Wyoming ist eine Oase des Wissens auf der hohen Prärie, der Campus Republikanisch und Cowboy, samt übergroßem Pickup und übergroßem Hut, doch sind die vielen Sprachen der Welt in dieser regenbogenbuntgemischten amerikanischen College Town überall zu hören. Das Cheney International Centerverbindet die Universität mit der Welt und die Welt mit der Universität. Dick Cheney, Feldherr gegen Saddam Hussein, mal als Verteidigungsminister, mal als Vizepräsident, hat Wyoming berühmt gemacht. Das gilt auch für seine Tochter Liz Cheney, ehemalige republikanische Kongressabgeordnete aus Wyoming und Feldherrin im Kampf gegen Donald Trump. Weltoffen und verfassungstreu, tragen die Cheneys weiterhin zur Qualität der Universität und zur strategischen Stärke Amerikas bei.
Die ubiquitären, auf CNN geschalteten Großbildschirme des weiträumigen Gemeinschaftssaals, genannt Student Union, strahlen tonlos die Bilder der zerstörten Fahrzeuge um Kherson, oder NATO Verteidigungsminister, oder Landkarten von den Gefechten im Osten der Ukraine aus. Die Schlagzeilen der von der Universität umsonst verteilten New York Times schreien laut mit Titeln wie „Kiev Again Under Bombardment.“
Und doch – in diesem riesigen Land sind diese Krisen sehr weit weg, selbst für die vielen studierenden Veteranen der Kriege in Irak und Afghanistan. Nichtdestotrotz, die Seminare für internationale Politik sind bis zum Rand gefüllt, wie so oft in Krisenzeiten.
Wie viel Solidarität?
Die Studenten wissen von der Aufstockung der US-Truppenpräsenz in Europa um 20,000 auf über 100,000; dass Präsident Joe Biden den Spruch stets wiederholt, „Jeder Inch von NATO wird verteidigt“. Für die USA gilt Artikel 5 des NATO-Vertrags weiter. Einige wissen auch, dass die drei baltischen NATO-Mitglieder sehr schwer zu verteidigen sind—wie damals das geteilte Berlin. Dünne Küstenstreifen ohne strategische Tiefe und umzingelt von russischen Truppen sind militärisch verwundbar. Die Umschlag- und Instandsetzungsplätze für Waffen nach und von Ukraine sind ebenfalls verwundbar, ob Rzeszov, in Polen, oder Ramstein, in Deutschland; mit Raketenabwehr sind sie nicht umfassend zu schützen. Auch hier eine alte Erkenntnis in neuem Gewand. Die Nuklear-Politik der NATO musste schon immer mit der Herausforderung einer konventionellen Unterlegenheit vor Ort in Europa fertig werden. Sollte Russland die NATO-Länder angreifen, steht die NATO, oder viel mehr, die USA, dann vor der Frage: Aufgeben oder eskalieren?
Die Eskalationsdrohung bleibt bei einem Angriff auf NATO-Mitglieder auf jeden Fall glaubwürdiger als eine Eskalationsdrohung wegen einer möglichen Niederlage der Ukraine. Darin liegt das Dilemma. Wie viel Solidarität mit der Ukraine wäre im Interesse des Westens, wenn diese Solidarität auch so gefährlich werden kann? Was wäre der Westen bereit zu tun, sollte Putin damit drohen, die vom Westen gelieferten, stets potenteren Waffen mit Vergeltung gegen NATO-Umschlagplätze oder Städte zu kontern – oder mit dem Einsatz von Kernwaffen gegen die ukrainische Bevölkerung? Wo und wie ist Putins Regierung Paroli zu bieten in ihrem Versuch, die Ukraine zu zerstören? Was muss der Westen akzeptieren, was kann der Westen nicht unerwidert lassen?
Kollektive Selbstverteidigung
Die Studenten der internationalen Politik lernen von der heutigen Weltordnung, von der UNO Charta, von Artikel 51, der die kollektive Selbstverteidigung legitimiert. Die kollektive Selbstverteidigung des Footballteams der Universität, die Wyoming Cowboys, hat sich an einem Samstagabend sehr gut gezeigt. Die Cowboys hielten Gleichstand mit dem Team aus der Air Force Academy in Colorado Springs, zum Bedauern der vielen Air Force Fans, die ins 200 Kilometer entfernte Laramie gekommen waren. Die uniformierten Kadetten saßen geeint in ihren Reihen, nur die große Air Force Kapelle, mindestens hundert Musiker stark, schlug den starken Rhythmus und tanzte dazu—aus Begeisterung oder wegen der Abendkälte im 2.200 Meter hohen Laramie Valley. Auch wenn Wyomings Winter sehr kalt und lang sind, ist es wahrscheinlich, dass einige der Kadetten wieder nach Wyoming zurückkehren, um bei Fort Warren als Missileers zu dienen. An diesem Football-Abend zeigte sich: Die beste Verteidigung ist der gute Angriff. Der letzte Angriff der Cowboys lief perfekt. Touchdown,spät im vierten Quartal und die Wyoming Cowboys holten sich den Sieg 17 zu 14.
Die beste Verteidigung ist der gute Angriff—vielleicht sieht Putin das auch so. Die Verteidigung seiner Macht fordert den Überfall auf seine Nachbarn. Zwar behaupten noch einige, in der Ukraine gibt es keine militärische Lösung. Aber solange Putin politische Vorteile aus militärischen Vorstößen einkassieren kann, wird er nicht davon zurückschrecken, seine Offensive voranzutreiben, neu vorzubereiten. Schlimmer noch, je mehr Putin in dieses Unternehmen investiert, desto schwieriger wird es für ihn sein, Kompromisse anzubieten, ohne selbst das Gesicht zu verlieren.
US-Präsident Joe Biden weiß besser als mancher Präsident, wie schnell Amerika gerade von den Europäern vorgeworfen wird, der Wyoming-Diplomatie zu folgen: Immer zuerst schießen, um dann nachher vielleicht noch verhandeln zu können. Also gilt auch in der Ukraine-Krise der alte Grundsatz guter amerikanischen Politik: Die Verbündeten müssen mehr Angst vor Amerikas Feinden haben als vor Amerika selbst. Konkret wird Bidens Einfluss in dieser Krise begrenzt bleiben, solange die Europäer, vor allem die Deutschen, mehr Angst vor dem Dritten Weltkrieg haben als vor einem siegreichen Russland, das sicher auch vor der Ukraine nicht Halt machen würde.
In Hörsaal beim Seminar zu Comparative Politics gilt der russische Staat als problematisch, wenn nicht als krank und gefährlich. Aber die Frage der Eindämmung und Abschreckung expansiver Tendenzen solcher Herrschaftsformen bleibt offen – insbesondere solcher, die um ihre eigene Existenz fürchten. Dass Piloten der US-Luftwaffe, darunter auch Absolventen der Air Force Academy, den Befehl erhalten würden, gegen russische Streitkräfte zu fliegen, ist unwahrscheinlich – aber vielleicht nur so lange, wie es wahrscheinlich ist, dass sie es tun würden, wenn Russland tatsächlich die NATO angreifen würde. Sollte Russland tatsächlich die NATO angreifen, ist es gut zu wissen, dass die amerikanische Macht in ihrer ganzen Vielfalt mit all ihren Verbündeten und Freunden reagieren wird – um eine russische Eskalation zu verhindern, um einen Waffenstillstand zu erzwingen.
Ist auf den Europäer Verlass?
In Wyoming, unter konservativen Kreisen, aber auch unter Progressiven isolationistischer Neigung, gibt es schon Kenntnis davon, wie wenig die vielen, wohlhabenden Europäern für ihre Verteidigung ausgeben. Unter den Informierten fragt man sich auch, was die EU, was Deutschland bereit zu zahlen ist, um die wirtschaftliche Stabilität des europäischen Umlands, samt Ukraine, zu sichern—auch beim Stopp der Gaslieferungen Russlands.
Mehr Bürger in Wyoming wären bereit, Europa als echten Partner zu sehen, wenn die europäischen Staaten bereit wären, ihre Verteidigungshaushalte zu erhöhen. Deutschland, weiß der eine oder andere Student, zahlt für das Militär gegenwärtig pro Kopf nur ein Drittel dessen, was die USA ausgibt. Trotz Sondervermögen wird Deutschland weiter das NATO-zwei-Prozent Ziel verfehlen. Viele Freunde hat Deutschland an der Uni – der Jahrestag des Berliner Mauerfalls wurde aktiv auf dem Campus gefeiert. Doch im Seminar über International Relations erfährt man die Gründe für die Schwächen der kollektiven Verteidigung: das Free-Rider Problem.
Trotz Trittbrettfahrerei wissen die meisten Amerikaner, dass ohne Koalition alles in der Welt viel schwieriger ist—George W. Bush und Donald J. Trump hin oder her. Im Student Union auf dem großen Bildschirm sieht man Präsident Biden, bei seiner Rede vor der General Versammlung der UNO. Nachher konnte man von seiner Botschaft erfahren: Er unterstrich immer wieder den Wert des gemeinsamen Vorgehens mit wirksamen Koalitionen gegen neue Vorstöße alter Gefahren.
Präsident Biden stellt sich hinter einen ukrainischen Sieg
In Bidens Rede zu Beginn des Semesters wie auch in Bidens Pressekonferenz mit Volodymr Selenskey am Ende des Semesters konnte man hören, wie Biden die amerikanische Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzte, indem er betonte, wie wichtig die ukrainische Souveränität und territoriale Integrität für Amerika sei – vielleicht kein Ultimatum, aber eine klare Definition der amerikanischen Interessen. Es gibt also kein Zurück mehr, Amerika ist voll involviert, „so lange es dauert“. Für Amerika geht es hier nun auch um existenzielle Interessen.
Der amerikanische Präsident will eine Koalition bauen und stärken, sowohl zu Hause wie in der Welt – um die Ukraine zu schützen und Russland zu bestrafen. Der von einer Mehrheit der Amerikaner ungeliebte Biden führt einen neuen, teuren Einsatz eines kriegsmüden Volks, das nach aktuellen Meinungsumfragen dennoch wieder militärischen Druck ausüben will. Dieser Konsens war neulich auf dem Kapitol Hügel zu sehen: Der Senat ratifizierte den Vertrag zur NATO-Beitritt von Schweden und Finnland mit einem Ergebnis von 97 – 1.
Die Fernsehbilder der Massengräber und zerstörten Wohnblocke in der Ukraine haben die öffentliche Meinung Amerikas bewegt. Nicht nur Staatsgeld wollen Amerikaner ausgeben. Studenten der Universität haben für die militärische Unterstützung der Ukraine schlagkräftig demonstriert, mit Transparenten im Vortragsaal. Ebenfalls anwesend war ein wohlhabender Geschäftsmann aus Wyoming mit Investitionen in der Ukraine, der großzügig eine Truppe von Freiwilligen aus dem Cowboy-Staat finanziert, die in der Ukraine kämpfen.
Der Westen – wild und weniger wild
Der Krieg in der Ukraine und die wachsende Bedrohung Chinas konkurrieren um begrenzte amerikanische Aufmerksamkeit, fordern unterschiedliche Strategien, sind aber beide eine Erinnerung daran, was den Westen ausmacht, ob in Wyoming oder im Rheinland.
Die Staaten und Menschen des Westens, nicht nur des Wilden Westens, können kooperieren, statt sich selbst zu isolieren. Europa und Amerika haben Erstaunliches in den fast acht Jahrzehnten seit dem Ende des zweiten Weltkriegs erreicht, auch Erstaunliches seit dem Fall der Mauer. Einem geeinten und friedlichen Europa ist man einiges nähergekommen.
Dieser Westen, dieser Verbund der wohlhabenden liberalen Demokratien, hat auch immer wieder versucht, die Sowjetunion, danach das neue Russland, an Europa zu binden, auch an den Wohlstand Europas—aber auf Basis bestimmter Umgangsregeln. Jeder Staat sei souverän in seiner Freiheit, seinen Bündnispartner auszuwählen, und kein Staat, auch nicht Russland (oder Amerika) hat ein Vetorecht über die Staaten und Projekte des Kontinents.
Leider waren viele der Machthabenden in Moskau nie bereit, diese Bedingung zu akzeptieren. Insoweit sie geglaubt hatten, die NATO und EU würden sich nicht öffnen, waren sie naiv. Die Staaten der NATO haben dies nie erklärt, und hätten sowieso wegen ihrer Werte und ihrer Vorstellung von Europa, also ihrer Interessen, nie auf die NATO-Osterweiterung verzichtet. Die westlichen Werte sind eine Bedrohung für diejenigen, die sie nicht teilen. Wenn diese Werte und die damit verbundenen Interessen verteidigt werden sollen, braucht Europa, braucht die Welt ein starkes, geeintes und einsatzfähiges Amerika.
Die amerikanische Macht
Nicht weit von den Minuteman-III-Raketenfeldern entfernt befinden sich die Förderfelder der Fracking-Revolution. Auch dies ist Teil der amerikanischen Macht, der amerikanischen Geopolitik, die auf Innovation und Geografie aufbaut, wie es die Menschen auf diesem Kontinent schon immer getan haben. Natürlich birgt dies auch Risiken, wie diejenigen wissen, die mit Boom-and-Bust-Zyklen vertraut sind.
Für Europa ist die Energie aus Wyoming eine gute Nachricht, denn nur eines ist schlimmer als die Abhängigkeit von neuer amerikanischer Energie – und das ist die Abhängigkeit von alter russischer Energie. Ähnlich verhält es sich mit der Kohle. Wyoming verfügt über Kohlereserven wie nirgendwo sonst auf der Welt und fördert nicht mehr so sehr für das eigene Land, sondern für China und neuerdings auch für Europa. Mit Wyomings Steinkohle beladene Züge sind stets auf dem Weg zum Atlantik oder zum Pazifik. Manchmal sind es vier Lokomotiven, die 100-Wagen-Züge über den höchsten Punkt der transkontinentalen Eisenbahn, über die Berge zwischen Laramie und Cheyenne ziehen – eine lebendige Erinnerung daran, dass das Schienennetz Amerika zu einer Weltmacht gemacht hat.
Neu für Wyoming sind die Windräder, den „Windy Wyoming“ hat Wind wie kein anderer Bundesstaat. Demnächst werden 149 Windmühlen, je 150 Meter hoch, das von hohen Bergen umkreiste, 50 Kilometer breite Laramie Valley prägen.
Ein Kernkraftwerk sollte ebenfalls nach Wyoming kommen, um die Vorteile des Stromnetzes von Wyomings Kohlekraftwerken zu nutzen, die bald geschlossen oder auf Gas umgestellt werden. Bill Gates finanziert einen Großteil dieses neuartigen, natriummoderierten Kernreaktors der „nächsten Generation“, der auch zeigen wird, dass eine Massenproduktion von Kernkraftwerken möglich ist. Wyoming bleibt Frontier – zu schützen und zu nutzen. Geografie prägt Kultur, ist eine Urform der Macht.
Aus Wyoming gesehen sieht Amerika nach einem riesigen Kontinent aus, eine Machtoase voller Chaos und, ja, auch Rassismus und Ungerechtigkeit. Streit werden die Amerikaner stets untereinander suchen. Für jede Aktion eine Reaktion. Amerikas Macht bleibt allein deswegen begrenzt. Doch es bleibt ein Paradox, dass in einer Welt von 8 Milliarden Menschen 340 Millionen Amerikaner ein Viertel der Weltwirtschaft stellen können. Amerikaner müssen zwar viel hinnehmen, doch als globale Nation in einer immer amerikanischeren Welt bleibt die amerikanische Macht auch unbegrenzt – in dem die amerikanische Innovation und Erfindungsgeist über die College Towns, Tech Clusters und Megalopole quer durch das Land immer wieder neue Möglichkeiten für neue globale Zusammenarbeit eröffnet.
Als Durchschlagszentrum mit seinen Schienen- und Autobahn-, Daten- und Ideennetzen, die Wyoming durchqueren, an der University of Wyoming Innovation zapfen, und sich in Cheyenne kreuzen, hat auch der Cowboy State Wyoming seine Rolle gefunden. Hier in Wyoming ist nicht nur die Natur zu bewundern, die Cowboys zu erleben, die University zu genießen, und die Energierevolution zu bejubeln, sondern auch die unter der goldenen Prärie stehende Minuteman III zu erkennen—als Schutzpfand letzter Instanz und als Erinnerung an die hohe Verantwortung der heutigen Macht.