08/12/2025

Donald Trumps Nationale Sicherheitsstrategie und „The Art of the Deal“

Vorschläge von Andrew Denison

Donald Trump, der Meister der gemischten Botschaften, hat eine Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht – voller gemischter Botschaften. Als Produkt einer ausgehöhlten National Security Council, das nicht einmal einen Vollzeit-Nationalen Sicherheitsberater hat, zeugt dieses Dokument von einer Abwertung des Begriffs „Strategie“ an sich. 

Insofern solche Strategien verschiedene (widersprüchliche) Stoßrichtungen widerspiegeln, ist eine gewisse Dialektik zwischen Vizepräsident JD Vance (kulturkämpferisch und isolationistisch) und Außenminister/Nationaler Sicherheitsberater Marco Rubio (realpolitisch und internationalistisch) erkennbar. Doch Donald Trump wird sich diesem Dokument kaum verpflichtet fühlen. Bei Trump sind Worte zweitrangig. Was er sagt und was er tut, ist ohnehin selten gleich.

Allerdings lässt sich aus diesem Dokument weder ein Rückzug der USA aus Europa noch der Wunsch nach einer Schwächung Europas ableiten. Höchstens ist darin eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber Europa erkennbar.

Um ein Blatt aus „The Art of the Deal“ zu nehmen, sollten die Argumente des Dokuments in Deutschland unterschiedlich kategorisiert werden. Das „Fördernde“ sollte willkommen geheißen und als Gewinn verstanden werden. Das „Fordernde“ hingegen sollte man ernst nehmen und als Preis des Deals verstehen. Das „Provozierende“ sollte ignoriert werden. Durch eine deutsche Deutung der verschiedenen Argumente kann Einfluss auf die Konsequenzen des Dokuments ausgeübt werden.

FÖRDERN – Diese Beteuerung der amerikanischen Interessen in Europa soll wiederholt werden – als Zeichen der Bereitschaft der USA, Europa weiterhin zu unterstützen und sich militärisch, wirtschaftlich und kulturell in Europa zu engagieren.

FORDERN: Die Europa-fordernden, also herausfordernden, Argumente sollten ernst genommen werden, denn sie sind von entscheidender Bedeutung für die Zukunft. Amerikas Kritik an der europäischen Schwäche ist berechtigt. Amerikas Interesse an einem geeinten und einflussreichen Europa sollte nicht ignoriert werden. 

PROVOZIEREN: Die Provokationen, allerdings, die sich in einigen Formulierungen deutlich zeigen, sollten schon ignoriert werden.

Europa fördern
Die Überschrift des Europa-Kapitels „Europas Größe fördern” ist für Transatlantiker sicher eine willkommene Botschaft. Hier ist nicht von der Größe der europäischen Vaterländer die Rede, wie es Charles de Gaulle wollte. „Die Europäer“ werden hier als Subjekt gesehen, nicht nur als Abstraktion. Für all jene, die eine Abkehr der USA von Europa vorausgesagt haben, ist es vielleicht überraschend zu lesen: „Europa bleibt für die Vereinigten Staaten strategisch und kulturell von entscheidender („vital“) Bedeutung.“

Amerikanische Interessen und Investitionen gehen Hand in Hand. Das Dokument unterstreicht die Bedeutung des transatlantischen Marktes für die USA: „Der transatlantische Handel ist nach wie vor eine der Säulen der Weltwirtschaft und des amerikanischen Wohlstands. Wir können es uns nicht leisten, Europa abzuschreiben, denn das würde den Zielen dieser Strategie zuwiderlaufen.“

Aus folgender Behauptung sollte das Ziel, Frieden und Abschreckung in Europa wiederherzustellen, sodass Russland keine Eskalationsvorteile sieht, herausgelesen werden. „Wiederherstellung stabiler Verhältnisse innerhalb Europas und strategischer Stabilität mit Russland.“

Es geht nicht um einen amerikanischen Abzug aus Europa, sondern um die Förderung einer Wiederherstellung der „strategischen Stabilität“: „Die Gestaltung der europäischen Beziehungen erfordert ein erhebliches diplomatisches Engagement der USA, sowohl um die Bedingungen für strategische Stabilität auf dem eurasischen Kontinent wiederherzustellen als auch um das Risiko eines Konflikts zwischen Russland und europäischen Staaten zu mindern.“

In Berlin sollte folgende Botschaft stets wiederholt werden: „Es liegt im zentralen Interesse der Vereinigten Staaten, eine rasche Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine auszuhandeln, um die europäischen Volkswirtschaften zu stabilisieren, eine unbeabsichtigte Eskalation oder Ausweitung des Krieges zu verhindern und die strategische Stabilität mit Russland wiederherzustellen sowie den Wiederaufbau der Ukraine nach Beendigung der Feindseligkeiten zu ermöglichen, damit sie als lebensfähiger Staat überleben kann.“

Europa fordern
Im Europa-Kapital finden sich auch unangenehme Wahrheiten und Erinnerungen an die Notwendigkeit schwieriger Reformen. Zurecht kritisierte das Dokument „mangelndes Selbstvertrauen“ bei Europas Beziehungen zu Russland, obwohl „die europäischen Verbündeten gegenüber Russland in fast jeder Hinsicht einen erheblichen Vorteil an Hard Power, mit Ausnahme von Atomwaffen…“ genießen. 

Unangenehm, wenn nicht anmaßend ist die Botschaft: Die US-Regierung soll Europa „in die Lage versetzen, auf eigenen Beinen zu stehen und als Gruppe gleichgesinnter souveräner Nationen zu agieren – unter anderem, indem es die Hauptverantwortung für seine eigene Verteidigung übernimmt, ohne von einer gegnerischen Macht dominiert zu werden“. Doch dagegen zu argumentieren ist schwer.

Der Wunsch der USA nach „Öffnung der europäischen Märkte für US-amerikanische Waren und Dienstleistungen und Gewährleistung einer fairen Behandlung von US-amerikanischen Arbeitnehmern und Unternehmen“ ist nicht neu und beeinflusst nach wie vor die transatlantische Geschäftsgrundlage. 

Folgende Kritik an Deutschland ist hart, aber nicht ungerecht: „Der Krieg in der Ukraine hat den unerwünschten Effekt gehabt, dass die Abhängigkeit Europas, insbesondere Deutschlands, vom Ausland zugenommen hat. Heute bauen deutsche Chemieunternehmen einige der weltweit größten Verarbeitungsanlagen in China und verwenden dabei russisches Gas, das sie im eigenen Land nicht bekommen können.“

Europa provozieren
Einige Behauptungen der Nationalen Sicherheitsstrategie sind als pure Provokation zu werten, und somit zu ignorieren. Demokraten, Internationalisten und Europäer zu reizen, ist bei MAGA ja an der Tagesordnung – das ist Futter für die Basis.

„Die Trump-Regierung steht im Widerspruch zu europäischen Politikern, die unrealistische Erwartungen an den Krieg haben, der in instabilen Minderheitsregierungen ausgetragen wird, von denen viele grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füßen treten, um die Opposition zu unterdrücken.“

So auch die Warnung, langfristig könnten „bestimmte NATO-Mitglieder werden mehrheitlich nicht-europäisch sein. Daher ist es eine offene Frage, ob sie ihre Stellung in der Welt oder ihr Bündnis mit den Vereinigten Staaten genauso sehen werden wie diejenigen, die die NATO-Charta unterzeichnet haben.“

Europäer stellen sich solche Fragen über die amerikanische Gesellschaft seit Langem, sei es bei der Verletzung demokratischer Prinzipien oder bei einer Abkehr von Europa auf Basis einer nicht-europäischen Mehrheit. So neu und unangenehm diese Gesellschaftskritik aus Amerika für Deutschland auch ist, sie zeigt, wie in Washington über die Dysfunktionen und Streitthemen der Europäer politisiert wird. In den provokativen, fördernden und fordernden Argumenten zeigt diese Nationale Sicherheitsstrategie letztlich, dass beide Seiten des Atlantiks auch in der Trump-Ära nicht auseinander-, sondern ineinanderwachsen.